Pressemitteilung: Aus dem Mittelmeer gerettete Menschen aufnehmen? – Eine Sache der Selbstverständlichkeit!

Pressemitteilung vom 4. April 2019

Aus dem Mittelmeer gerettete Menschen aufnehmen? – Eine Sache der Selbstverständlichkeit!

Das Göttinger Hausprojekt OM10, das zugleich ein wichtiger Ort der
Begegnung von Menschen mit und ohne Fluchthintergrund ist, erklärte sich
im Februar 2019 öffentlich dazu bereit, drei aus dem Mittelmeer
gerettete Menschen aufzunehmen und für ihre Versorgung aufzukommen
(siehe Pressemeldung der OM10 vom 12.2.2019). Mit diesem Vorhaben
wollen wir, das Hausprojekt Goßlerstraße 17/17a, uns solidarisch
erklären. Außerdem erklären wir uns hiermit als Projekt dazu bereit, die
OM10 bei ihrem Vorhaben nach besten Kräften zu unterstützen und nach
unseren Möglichkeiten und zu gegebener Zeit auch selbst Menschen bei uns
im Haus aufzunehmen und für deren Versorgung aufzukommen.

Denn auch wir beobachten mit Entsetzen die Folgen der europäischen
Asylpolitik, die lebensgefährliche Ignoranz und das aktive Verhindern
von Seenotrettung – bis hin zu deren massiver Kriminalisierung. Dem
wollen wir gemeinsam mit anderen solidarischen Akteur*innen aus
Göttingen und anderswo etwas entgegensetzen und die Verantwortung, die
Staaten aus politischem Kalkül fallenlassen, mit politischem Druck auf
die Verantwortlichen und eigener Initiative zur Unterbringung selber in
die Hand nehmen.
Menschen, die aufgrund von Krieg, politscher Verfolgung, Klimawandel,
wirtschaftlicher Not oder aus anderen Gründen gezwungen werden, ihr
Herkunftsland zu verlassen, müssen anschließend meistens unter prekären
Lebensbedingungen leben. Unterstützung von Menschen, die Hilfe suchen,
ist eine Frage der Menschlichkeit und muss unabhängig von Nationalität,
Gender oder Religionszugehörigkeit selbstverständlich sein. Dazu gehört
auch die Bereitstellung von angemessenem und menschenwürdigem Wohnraum,
die sowohl Schutzraum als auch eine Basis für eine Teilhabe an der
Gesellschaft sind.

Die Verantwortung, die entsprechenden Rahmenbedingungen für die Aufnahme
von geflüchteten Menschen, zu schaffen, liegt eigentlich nicht bei uns,
sondern bei den EU-Staaten. Sowohl auf nationaler als auch auf
internationaler Ebene ist jedoch zu erkennen, dass politische
Entscheidungsträger*innen ihrer Aufgabe nicht gerecht werden, sondern
ganz im Gegenteil die rassischtische Ausgrenzung und rechtspopulistische
Mobilmachung durch Politiker*innen zunimmt. Dies äußert sich
beispielsweise in der systematischen Verweigerung des Anlegens und der
Beschlagnahmung von Seenotrettungsschiffen in Häfen der europäischen
Mittelmeergrenze und dem Inkaufnehmen des Ertrinkens von Menschen in
Seenot. Durch Billigung und Beförderung dieser menschenverachtenden
Politik verfehlt die Europäische Union nicht nur ihre Aufgabe der
humanitären Hilfeleistung, sondern blockiert auch noch solidarische
Hilfe von privaten Organisationen.

Auch die Stadt Göttingen übernimmt auf lokaler Ebene nur unzureichend
Verantwortung für Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten in der
Stadt. Dies wird zum Beispiel an der unhaltbaren Weiterführung des
Lagers Siekhöhe ersichtlich. Eine ehemalige Lagerhalle kann schwerlich
als ein Raum der Sicherheit benannt werden. Ganz im Gegenteil macht die
isolierte Lagerunterbringung wie auf der Siekhöhe in Göttingen diese
Menschen unsichtbar, verhindert gesellschaftliche Teilhabe, nimmt
jegliche Selbstbestimmung bzgl. der Lebensbedingungen und fördert die
ohnehin starke psychische Belastung dieser Menschen. Das Lager Siekhöhe
muss sofort geschlossen werden! Auch eine ausstehende Erklärung der
Stadt und des Stadtrates Göttingen zu einem „Sicheren Hafen“ ist
überfällig.

Praktische Solidarität mit geflüchteten Menschen vonseiten des Staates
und der Stadt ist erwiesenermaßen keine Selbstverständlichkeit, was das
besondere Engagement sozialer Projekte wie der OM 10 umso wichtiger
macht.

Stoppt das Massensterben an den europäischen Grenzen! Jedes
Menschenleben zählt!
Für eine starke, solidarische Bewegung für freie Migration in Göttingen
und überall!

Das Hausprojekt Goßlerstraße 17/17a

Kontakt: gosse@riseup.net
gosslerstrasse17a.noblogs.org