Vor genau einem Jahr legten Neonazis Feuer im Garten des selbstverwalteten Wohnprojekts Goßlerstraße 17/17a in Göttingen und hinterließen auf dem benachbarten Uni-Campus Nazi-Schmierereien. Die Bewohner_innen rufen nun anlässlich des Jahrestages dazu auf, sich aktiv gegen den kontinuierlichen rechten Terror in der Region und bundesweit einzusetzen und kritisieren staatliche Behörden für mangelnden Aufklärungswillen.
In der Nacht von Sonntag auf Montag, den 28. Oktober 2019, hatten Neonazis Feuer im Garten des selbstverwalteten Wohnprojekts gelegt und an Gebäuden auf dem benachbarten Uni-Campus Hakenkreuze, SS-Runen und den Satz „Wir kommen“ hinterlassen. Das mit Brandbeschleuniger gelegte Feuer in einem Unterstand konnte von den Bewohner_innen zum Glück rechtzeitig bemerkt und gelöscht werden, bevor die Flammen auf weitere Teile des Gartens und auf das Wohnhaus übergreifen und Menschenleben gefährden konnten. Wenige Tage später setzten mehr als 350 Menschen auf einer Kundgebung vor dem betroffenen Haus ein starkes Zeichen gegen rechten Terror und für eine solidarische Nachbarschaft.
Hausbewohnerin Myriam Luna erklärt dazu: „Wir kritisieren den mangelnden Aufklärungswillen der Polizei, die bereits nach vier Monaten die Ermittlungen zum Brandanschlag einstellten. Und das, obwohl auch in den darauffolgenden Monaten in Göttingen gezielte Beschädigungen und Diebstähle an unserem und anderen Hausprojekten durchgeführt und sogar Menschen angegriffen wurden, die nicht ins Weltbild der Nazis passen.”
In der Region Göttingen gipfelte der rechte Terror zuletzt unter anderem in Einbeck, wo Neonazis vor einigen Monaten einen Sprengstoffanschlag gegen eine engagierte Antifaschistin verübten. Kriminalisiert werden jedoch aktive Antifaschst_innen, Anklage gegen die Neonazis wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung wurde beispielsweise nicht erhoben. Allein in den niedersächsischen Landkreisen Göttingen und Northeim sowie in Eichsfeld (Thüringen) wurden für das Jahr 2019 vom Antifaschistischen Bildungszentrum und Archiv Göttingen e.V. (ABAG) über 400 extrem rechte Vorfälle erfasst.
Weiter führt Myriam Luna aus: „Deutschland hat ein Problem mit rechtem Terror und ein Problem mit strukturellem Rassismus. Und Rassismus tötet. Die Kontinuität rechten Terrors hatte erneute grausame Höhepunkte in den rassistischen Morden von Hanau im Februar diesen Jahres, bei dem der Täter neun Menschen ermordete, und dem antisemitischen Anschlag von Halle vor einem Jahr, bei dem zwei Menschen getötet wurden. Gleichzeitig werden wöchentlich rechte Chatgruppen in Polizeidienststellen aufgedeckt, Waffenlager bei Mitgliedern von Spezialkommandos der Bundeswehr ausgehoben und ein NSU 2.0 verschickt Morddrohungen mit Daten aus Polizeicomputern an engagierte Menschen. Rassistische Polizeikontrollen mit teils tödlicher Polizeigewalt sind Alltag für viele Menschen in Deutschland.“
Sie ergänzt: „Wir können für Aufklärung, Gerechtigkeit und Schutz nicht in staatliche Strukturen vertrauen. Deswegen rufen wir alle dazu auf, sich im Alltag aktiv mit den Betroffenen rechter Gewalt zu solidarisieren, auf dem Arbeitsplatz, in der Schule oder dem Sportverein gegen Rassismus aktiv zu werden und im eigenen Handeln und Denken Rassismen zu hinterfragen.“
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