Die Wohnungsgenossenschaft eG Göttingen verklagt eine Mieterin wegen des Aufhängens einer Fahne mit der Aufschrift “Kein Mensch ist illegal”. Diese hatte die Mieterin zeitweise aus einem Fenster ihrer Mietwohnung in einem Genossenschaftshaus in der Heinrich-Heine-Straße gehängt. Nun muss sie sich vor dem Amtsgericht Göttingen in einem Verfahren rechtfertigen. Wir halten es für einen handfesten Skandal, dass eine Wohnungsgenossenschaft ihre Mieter_innen verklagt, wenn diese sich solidarisch mit illegalisierten Menschen erklären.
In einer Gesellschaft, in der Rassismus und Nationalismus weiter erstarken, eine neofaschistische Partei wie die AfD Aussichten auf Landesregierungsbeteiligungen ab dem kommenden Herbst hat und Nazis unbehelligt morden, sind solche Zeichen der Solidarität mit den Betroffenen von Ausgrenzung und Unterdrückung so wichtig.
Auch die Tatsache, dass ein Eintreten für die von der Bundesrepublik hochgelobten Grund- und Menschenrechte und ein Bekenntnis zu zivilisatorischen Mindeststandards kriminalisiert und als vermeintlich “radikal” gelabelt wird, zeigt, dass es sich bei Nationalismus und rassistischer Ausgrenzung mitnichten nur um Positionen rechtsradikaler Akteur_innen handelt. Teile unserer selbsterklärten gesellschaftlichen “Mitte” und der von ihr konstituierten Regierung haben es auch ohne AfD geschafft, die Bundesrepublik und Europa abzuschotten, Fluchtrouten zu blockieren, sowie Verelendung und Massensterben an den EU-Außengrenzen voranzutreiben.
Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!
(B. Brecht)
Die Betroffene ließ zu dem Fall folgendes verlauten: “Sich in diesen Zeiten zu grundlegenden Menschenrechten zu bekennen und im sprichwörtlichen Sinne ‘Flagge zu zeigen’ gegen Ausgrenzung ist ein Mittel für eine solidarische Wohnatmosphäre, ein solidarisches Miteinander und nicht zuletzt ein öffentliches Eintreten gegen strukturellen Rassismus. Sich gegen die Verrohung und den Rechtsruck unserer Gesellschaft zu wenden, sollte grundsätzlich nicht kriminalisiert werden, schon gar nicht – völlig unnötig – durch die Wohnungsgenossenschaft gegenüber einem ihrer Mitglieder.” Zahlreiche Genossenschaftsmitglieder und Mitbewohner_innen der Heinrich-Heine-Straße 1 unterstützen dieses Statement und haben kein Verständnis für das Vorgehen der Wohnungsgenossenschaft eG Göttingen.
Wir verurteilen das Vorgehen der Wohnungsgenossenschaft aufs Schärfste und erklären uns solidarisch mit der betroffenen Mieterin. Sollte die Wohnungsgenossenschaft bei ihrer Klage bleiben und in Zukunft weiterhin beabsichtigen, solidarische Prinzipien über Bord zu werfen und Repressionen gegen ihre Mitglieder zu veranlassen, stellt sich für uns die Frage, ob eine Umbenennung in “Wohnungsschaft” nicht ratsam wäre, liebe “Genossen”.
Kein Mensch ist illegal – Bleiberecht überall!
das Hausprojekt Goßlerstraße 17_a